Das rote Paket

Der Wind weht kaIt, und der Weg vom Bahnhof ist weit .An der Hand der Grossmutter trampeIt Anna durch den Schnee. Bald sind sie beim Häuschen angelangt. Anna freut sich. in den Ferien ist es bei der Grossmutter am schönsten. Sie weiss so viele Geschichten zu erzählen. Die aufregendsten Spiele denkt sie sich aus. Und auf dem Fensterbrett liegt für Anna jedes Mal ein neues Malbuch bereit.

Manchmal gehen Anna und die Grossmutter zusammen ins Dorf. Anna könnte mit den Kindern spielen, während die Grossmutter beim Bäcker und beim Milchmann wartet. Aber die Kinder machen langweilige Gesichter. Die Grossmutter ist mit dem Einkaufen schnell fertig. Im Laden war niemand zum Plaudern, niemand hat Zeit für ein freundliches Wort. Auf dem Heimweg schweigt die Grossmutter. Anna weiss, dass sie nachdenkt.

"Das Paket ist fertig, Anna", sagt die Grossmutter plötzlich am Abend. Anna schaut von ihrem Malbuch auf. Sie will gleich mit Fragen losplatzen. Doch die Augen der Grossmutter verraten - das rote Paket ist ein Geheimnis.

Am Morgen gehen Anna und die Grossmutter mit dem Paket aus dem Haus. Der Förster kommt ihnen entgegen. Er wohnt erst seit kurzem im Dorf und ist allein. Da geht die Grossmutter auf ihn zu und reicht ihm das rote Paket.

"Was soll das?" fragt der Förster. "Was soll ich damit?" "Es ist für sie", sagt Anna. "Aber machen sie es nicht auf, sonst geht verloren was darinnen ist."

Der Förster staunt. "Was ist denn drin?" fragt er.

"Glück und Zufriedenheit", sagt die Grossmutter und drückt dem Förster die Hand. Anna stapft schon heimwärts. "Hast du sein Gesicht gesehen, Grossmutter?" fragt sie. "Machen wir noch mehr solche Pakete?" Aber die Grossmutter will nicht.

"Nein, Anna", sagt sie, "eines ist genug."

So etwas ist dem Förster noch nie passiert. Dem nächst Besten will er davon erzählen. Der Kaminfeger glaubt es kaum, als ihm der Förster das rote Paket hinstreckt und sagt: "Dieses Mal bringe ich das Glück."

Der Kaminfeger ruft vom Dach den Leuten zu und schaut durchs Fenster in Antonias Zimmer.

HGU Geschichtenordner 2006 / bin Seite 1 - v. 2

"Bist du krank?" fragt er. Antonia hat Grippe. Der Kaminfeger gibt ihr das rote Paket.

"Damit du bald wieder gesund bist", sagt er.

Antonia hat das rote Paket in ihrem Zimmer versteckt. Wer es findet, darf es behalten. "Aber nicht öffnen", sagt Antonia. "Das ist ja wie vor Weihnachten", sagt Juro Unten im Keller zieht Lena ein wenig an der Schleife. Juro dreht das Paket in den Händen und schüttelt es. Vor dem Fenster hört man plötzlich eine laute Stimme.

"Mein Vater", sagt Martina. "Riecht ihr den Rauch? Das Brot ist verbrannt."

Der Bäcker bekommt das rote Paket. Aber er behält es nicht lange. Auf der Brotschaufel reicht er es Frau Salai über den Ladentisch. "Morgen gibt es wieder frisches Brot", lacht er In der Nacht geht Frau Sali mit dem roten Paket über den Balkon. Beim Nachbarn brennt immer noch Licht. "Können sie nicht schlafen?" flüstert Frau Sali.

"Nehmen sie das Paket. Es bringt Glück und Zufriedenheit."

Anna und die Grossmutter kommen wieder ins Dorf. Anna rodelt mit Stefan. Die andern Kinder bauen einen Schneemann. Ein Mann setzt sich zur Grossmutter und erzählt ihr, was da und dort passiert ist. Er erzählt ihr auch die Geschichte vom roten Paket. Die Ferien sind vorbei. Anna fährt wieder fort. Traurig trottet sie neben der Grossmutter zum Bahnhof. Die Grossmutter ist noch trauriger. Jetzt wird sie wieder allein sein.

Ich komme bald wieder", will Anna sie trösten. Die Grossmutter hat Tränen in den Augen. Der Zug fährt schon ein.

"Möchten sie das Paket haben?"

Boris und Stefan strecken der Grossmutter das rote Paket entgegen. "Man darf es aber nicht aufmachen", sagt Stefan.

"Es bringt Glück und Zufriedenheit", sagt Boris.

Anna lacht und klatscht in die Hände.

"Es ist wieder da, Grossmutter“, sagt sie. "Du hattest recht, eines ist genug." 

 

Aus dem Bilderbuch von Linda und Gino Alberti